Sonntag, 2. August 2015

Es heißt man soll gehen, wenn‘s am Schönsten ist

Die letzten Wochen waren noch einmal sehr turbulent, je näher es auf das Ende des Jahres zuging, desto mehr Sachen fielen mir ein, die ich noch unbedingt machen wollte und so werde ich hier nur grob von einigen Highlight der letzten Wochen berichten.

An erster Stelle steht da wohl meine Reise in den Norden Argentiniens. Mitte Juli machte ich mich auf den Weg nach Salta. 24 Stunden Busfahrt klingen langweilig? Ja schon, aber wären auf jeden Fall entspannter gewesen: Ich hatte das Glück in Potosi in einem riesen Streik fest zu stecken und durfte so nach 9 Stunden Busfahrt und 4 Stunden Warterei eine vierstündige Wanderung vom einen Ende des Bloqueos zum anderen Ende einlegen. Aufgrund mangelnder Mobilidades am anderen Ende fuhr ich dann 6 Stunden lang auf der Ladefläche eines Lastwagens bis zur argentinischen Grenze und verbrachte dann nochmal eine weitere Nacht in einer argentinischen Flota, sodass ich statt Samstagabend dann eben Sonntagmorgen in Salta ankam. Typisch Bolivien eben.
Die nächsten Tage etschädigten dann aber für die Fahrt. Nachdem ich einen Tag lang das schöne Städtchen Salta erkundet hatte, machte ich einen Ausflug durch tolle canyonartige Landschaft nach Cafayate (sprich: Kawvaschate). Am nächsten Tag machte ich einen Ausflug nach Cachi, einem kleinen Bergdörfchen das in einem Nationalpark voller Kakteen liegt. Danach ging es langsam wieder Richtung Norden, wobei ich in vielen netten kleinen Dörfchen Stopp machte und ganz entspannt nach Lust und Laune wieder weiter fuhr. Die letzten drei Tage verbrachte ich dann in Tupiza, im Süden Boliviens. Die Stadt liegt zwischen roten Bergen und Canyons und ich machte eine Wanderung und eine Reittour durch die wunderschöne Landschaft. Da bei meiner Rückfahrt nach La Paz der Streik in Potosi immer noch anhielt, waren wieder ein paar Extrastunden inklusive, doch die nahm ich nach einer so schönen Woche gerne in Kauf.
Berg der 7 Farben in Purmamarca
Fahrt nach Cafayate
Cachi
In Huamahuaca
Ende Juli war ich mit Maria noch ein paar Tage im Dschungel. Nachdem wir unseren Ausgangsort Rurrenabaque erkundet hatten, begann unsere Tour mit einer mehrstündigen Bootsfahrt in den Parque Nacional Madidi. Nachh einer kleinen Wanderung erreichten wir unsere Lodge und erkundeten die nächsten 2,5 Tage den Dschungel, wobei uns unser Guía jede Menge über die unterschiedlichen Pflanzen erzählte, was echt spannend war.
Rurrenabaque
Anfang Juni nutzen wir außerdem ein langes Wochenende um nach Samaipata, in der Nähe von Santa Cruz zu fahren und dort eine alte Inkaruine zu besichtigen, in Wasserfällen zu baden und am Ende noch Santa Cruz anzuschauen.


Inkaruine "El Fuerte"

Keine Sorge, gearbeitet habe ich zwischendurch auch noch und es wurde nie langweilig. Während der Winterferien (die aufgrund der Kälte –wie eigentlich jedes Jahr- von 2 auf 3 Wochen verlängert wurden) hatten wir verschiedene Intensivkurse bei uns in der Funda, ich hatte mit einer lokalen Künstelerin den Workshop „Arte Urbano (urbane Kunst)“ organisiert und so strichen und besprayten wir ein paar hässliche Wände und Treppen der Fundación.
Dann gab es wieder mehrere Talentabenden,  bei einem besonders großen wirkten auch die Jugendlichen unserer zwei neuen eingerichteten Zentren mit, was super schön war.
Zudem hatten wir wieder mehrere Mentorenkurse, wobei uns einmal gleich 85 Schüler eines Colegios geschickt wurden mit denen wir dann eine Woche lang gearbeitet haben. Und sonst eben die ganz normalen Workshops an den Colegios, Facilitadores und Kurse im Zentrum und so weiter und sofort…
bemalte Eingangstreppe
Und jetzt geht dieses wunderbare, aufregende und chaotische Jahr zu Ende. Wer mich vor einem Jahr gefragt hat, was ich in Bolivien eigentlich genau machen werde, dem habe ich erzählt, dass ich in einem Kindergarten arbeiten werde. Zwischendurch gab es dann die Antwort, dass ich am Goethe-Institut bin. Und wer mich nächste Woche fragt, was ich denn in Bolivien eigentlich gemacht habe wird  wahrscheinlich als Antwort bekommen, dass ich in einem Projekt zur Gewaltprävention gearbeitet habe. Aber genau das beschreibt wohl, warum dieses Jahr so wunderschön war. Einfach mal alles auf sich zukommen zu lassen und die Dinge nehmen wie sie kommen. Orte entdecken, von denen ich zuvor noch nie gehört hatte. Und natürlich das wichtigste, jede Menge ganz verschiedene Leute kennen zu lernen und unglaublich viele neue Erfahrungen zu sammeln.
Wie die Pläne für die letzten verbleibenden Tage sind? 
Bis Mittwoch wird normal gearbeitet und abends nochmal mit so vielen Leuten wie möglich getroffen. Am Donnertag ist Nationalfeiertag, wo wir vielleicht einen letzten Ausflug machen und Freitag steht dann wohl das schwierigste an: der Abschied im Projekt. Mit meiner Gastfamilie will ich zum Abschied nochmal Essen gehen und Samstagabend werden wir La Paz-August-Freiwilligen dann nach Santa Cruz aufbrechen, damit wir auch rechtzeitig ankommen und  nicht Montagmorgen unseren Flug verpassen. 
…Y eso es. Así se va acabar el año.
Danke an alle, die mich dieses Jahr „aus der Ferne begleitet haben“! Ich hoffe, dass ich mit diesem Blog einen kleinen Eindruck von Bolivien und meinem Leben hier vermitteln konnte und freue mich schon, Euch bald persönlich davon erzählen zu können.
Bis bald,
Raphaela






Montag, 25. Mai 2015

Chamino del Choro und Neues von der Arbeit

Heyhey,
da der letzte Blogeintrag schon zwei Monate zurückliegt und in den letzten Wochen wieder wahnsinnig viel passiert ist, habe ich mich entschieden den April wegzulassen und nur von Mai zu berichten:


1.       Maiwochenende- Camino del Choro
Am ersten Maiwochenende machten Ronja, Maelis und ich eine dreitägige Wanderung von 4800 m auf 1500 m runter in die Yungas, den Camino del Choro. Ergeben hat sich das Ganze dadurch, dass ich Maelis, die 14 Stunden von La Paz entfernt lebt, zufällig montags auf der Straße getroffen habe. Diese Spontanität funktioniert in Bolivien eigentlich am besten. Nachdem wir donnerstags zwischen der Arbeit noch irgendwie ein Zelt und Isomatten organisiert hatten, hieß es Freitagmorgen um 6 Uhr aufstehen, so dass wir gegen 8 am La Cumbre aus dem Mini stolpern konnten. 


Da mir erzählt wurde, dass das erste Maiwochenende in Deutschland ziemlich verregnet war, möchte ich nicht allzu viel über das Wetter reden. Kurz und schmerzlos: strahlend blauer Himmel und wunderbare Aussicht in die umliegenden Täler. Nur war es (wer La Paz kennt wird wenig überrascht sein) ziemlich kalt. 
Doch nach der Überquerung eines Passes ging‘s steil nach unten und mit jeden 100 Metern wurde es wärmer und vegetationsreicher. Trotz 8 stündiger Wanderung an den ersten Tagen blieb abends im Zelt noch jede Menge Zeit zum quatschen und am dritten Tag kamen wir schon gegen Vormittag in Chairo an (ja, die Streckeneinteilung hätte man evtl. ein wenig optimieren können).

Dafür konnten wir dann aber schön im Fluss baden, was echt unser Highlight des Tages war. Außerdem kamen wir so zumindest halbwegs „frisch“ nach La Paz zurück und die Mückenstiche haben uns noch eine Woche lang an das schöne Wochenende erinnert.


So jetzt aber zu den ernsten Dingen des Lebens…
Meine Arbeitszeiten sind milde gesagt chaotisch (variieren von Montag bis Sonntag zwischen 8:00- 21:30) aber ich liebe meine Arbeit und meine Arbeitskollegen und die Jugendlichen bei uns im Zentrum sind echt super, deshalb ist mir das eigentlich egal. Macht’s nur schwierig darüber zu berichten. Um keinen zu langweilen ein paar neue Aspekte, von denen ich bisher noch nicht erzählt habe:
In den letzten Wochen habe ich nicht nur viel mit Criss und Gladys an den Colegios mit den Schülern gearbeitet, sondern war auch mit Pamela bei einigen Talleres mit den Eltern. Teilweise bei irgendwelchen kirchlichen Strick-und Tratschgruppen aber auch bei Elternabenden an den Schulen. Die Arbeit ist mit den Eltern ist unglaublich wichtig, denn was soll  man Schülern auf die Frage antworten, was sie denn machen können, wenn sie hier bei uns Dinge über gewaltfreie Kommunikation lernen und der Vater dann zuhause den kleinen Bruder schlägt? Das ist vor allem durch den tief in der Gesellschaft verwurzelten Machismos nicht einfach. Deshalb arbeiten wir nicht nur mit den Jugendlichen, sondern reden auch direkt mit den Eltern über gewaltfreie Erziehung, familiäre Strukturen, Gewalt etc. Aber die Resistenz bei den Eltern ist recht hoch. „Ich wurde früher auch geschlagen, das hat doch auch nicht geschadet“ oder „ich arbeite den ganzen Tag, da kann ich doch jetzt nicht auch noch kontrollieren, dass mein Kind pünktlich in der Schule erscheint“ (pünktlich gibt es in Bolivien eigentlich nicht, gemeint ist eher überhaupt auftaucht) sind da nur beispielhafte Antworten. Dazu kommt dann in manchen Vierteln wenn ich die Anwesenheitsliste rumgebe, dass jede 4. oder 5. Person in der Reihe Analphabet ist. Nach solchen Talleres frage ich mich dann doch des Öfteren, ob man bei diesen Erwachsenen überhaupt irgendeine Reflexion erreichen kann. Andererseits ist es für viele vielleicht das erste Mal, dass irgendjemand sie dazu auffordert sich mal über ihre Erziehungsmethoden oder ihr Familienleben Gedanken zu machen und vielleicht –hoffentlich- bringt es ja langfristig doch mehr als ich manchmal den Eindruck habe.

Unsere neue Facilidadores-Gruppe
Aber eigentlich arbeite ich viel lieber mit den Jugendlichen, da ist zwar teilweise das Gekicher riesig aber wenigstens die Resistenz nicht ganz so hoch. Zudem habe ich bei den Talleres mit den Eltern noch nicht so ganz meine Rolle gefunden, da ich es recht schwierig finde, als 19jährige Gringa (was meist als reich und eh noch nie mit Problemen in Kontakt gekommen assoziiert wird) die Eltern zum Umdenken zu bringen. 

Jeden Donnerstagmorgen gehe ich mit unseren Psychologinnen zu einem „Curso de Autoconocimiento“ („Kurs zur Selbsterkenntnis“) wo - um es jetzt mal simpel herunterzubrechen- sich eine Gruppe Studentinnen über ihre Probleme austauscht und durch verschiedene Dynamiken über ihre Vergangenheit und Zukunftswünsche reflektiert. Ich liebe diese Gruppe, auch wenn manchmal krasse Probleme erzählt werden und ich meist sehr nachdenklich wieder zurück zur Fundación fahre. Aber es finden alle, dass ich eine echte Bereicherung für die Gruppe bin, da ich immer „so ganz andere Ansichten und neue interessante Aspekte“ einbringe.


Break Dance in der Fundación
Jeden Montag gehe ich zudem mit Helen zu einer (immer dieselben) Schulklasse. Helen arbeitet nicht wie Gladys und Criss in der Präventionsarbeit, sondern wird von Lehrern oder Schulleitern angefragt, wenn in einer Klasse besonders viel Gewalt herrscht und arbeitet dann 8 oder 10 Wochen lang mit der Klasse. Und bei dieser einen Klasse bin ich eben auch immer dabei.

Feria zur Gewaltprävention
Was fällt mir sonst noch so zur Arbeit ein? Verletzen Samstag hatten wir ein Break Dance Event, wo sich unsere Kurse gegen verschieden andere Break Dance Gruppen gebattelt haben, was echt cool war.
Außerdem hatten wir einmal eine Messe an einem Colegio. Dazu waren verschiedene Institutionen eingeladen und jede hat in einer Ecke des Schulhofs verschiedene Spiele aufgebaut und mit den Schülern spielerisch verschiedene Gewaltbereiche besprochen. Die Spiele die wir dabei hatten, wurden alle von den Comunicadores erfunden und waren echt ganz witzig.
Dann gab es einen Samstag lang ein Seminar für Lehrer, wie sie mit Gewalt zwischen den Schülern und Bullying umgehen können. …Und jede Menge andere Sachen.

Nächste Woche ist in La Paz Gran Poder und die Woche drauf wollen wir, worauf ich mich echt freue, nach Samaipata fahren. Ich werde versuchen recht bald darüber zu berichten.
Bis bald J

Mittwoch, 25. März 2015

Wie´s bei der Arbeit so läuft...

 
Da tatsächlich schon wieder zwei Monate vergangen sind, seit ich bei der Fundacion La Paz arbeite, hier ein kleiner Einblick, was ich dort so mache:




Noche Arte y Cultura
Die Präventionsarbeit an den Schulen läuft inzwischen ziemlich gut, wobei ich meistens meine Kollegin Gladys in die Kurse begleite. Pro Kurs haben wir in der Regel drei Einheiten. Die erste Sesión dient zur Analyse, welche Themen mit dem Kurs am dringensten besprochen warden sollten. Dazu bekommen die Schüler meist provokante Thesen, zu denen sie Stellung nehmen sollen und wir zeigen verschiedene Filme mit offenem Ende um das Verhalten der Schüler zu erfragen. Je nachdem in welchem Bereich wir dann Defizite oder Gesprächsbedarf erkennen, sprechen wir in den nächsten Einheiten meistens über Geschlechterdirskriminierung, Gefahrensituationen die Alkohol, Drogen, Facebook und Co. mit sich bringen können oder über der Umgang mit familiärer Gewalt.
Die Arbeit an den Schulen macht mir sehr viel Spaß. Auch wenn manchmal sehr unreife oder erschreckende Antworten kommen, merkt man vor allem an den Kursen mit denen schon im Vorjahr gearbeitet wurde, dass die Arbeit echt sinnvoll ist.

Von den monatlichen Talentabenden einmal abgesehen, bieten wir jetzt zusätzlich jeden Freitagabend eine “Noche Arte y Cultura”, eine Gesprächsrunde an, bei der die Jugendlichen über von ihnen vorgeschlagene Themen diskutieren können (Themen der letzten Wochen waren zum Beispiel Drogen- und Alkoholabhängigkeit, Beziehungen und Trennungen, Liebe…).
Zudem hatten wir zweimal jeweils eine Woche lang einen Kurs für Jugendliche aus unserem Zentrum zur “Facilitación de Capacitadores”, eine Art Mentoreprogramm mit der Intention interessierte Jungendliche darauf vorzubereiten, uns an die Colegios zu begleiten, um mehr Schüler erreichen zu können.

Mit dieser Gruppe führen auch unsere Psychologinnen Dany und Gloria die nächsten drei Monate lang eine Curso de Autoconocimiento “Kurs zur Selbsterkentniss“ durch, woran ich auch meistens teilnehme, da diese Mittwochnachmittage immer sehr interessant sind.

Ansonsten mache ich Werbung für anstehende Veranstaltungen, neue Kurse etc., helfe sporadisch in den Kursen aus, bereite Material fur die Schulen vor und begleite das Radioprogramm.

Ausstellung der Kunstkurse




Besonders schön war zudem der Besuch einer peruanischen Jungedtheatergruppe, die in Lima auf soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam machen, und sich vier Tage lang mit unseren Jugendlichen ausgetauscht haben, ein gemeinsames Theaterstück einstudiert haben etc. Für mich war diese Zeit unglaublich interessant, da die Jugendlichen sehr viel von ihrem Umfeld, ihre Kindheit etc. erzählt haben. Manchmal war ich dabei in Situationen, in denen ich dachte mh, und was soll ich jetzt über mich erzählen, aber ich glaube es ist wichtig, nicht einfach zu sagen, dass wir eigentlich im Vergleich zu dem was diese Jugendliche hier erleben keine Probleme haben, sondern zu erzählen was mich beispielweise in ihrem Alter belastet hat. Auch wenn das natürlich niemals so gravierende Dinge sind, kommt das immer sehr gut an und so habe ich inzwischen ein sehr vertrauensvollens Verhältnis zu den Jugendlichen.





Stand der Chocolatería
Dann gab es noch einen Samstag, an dem die Leiter der Kindernothilfe zu Besuch kamen um das Projekt zu begutachten und sich alle Kurse und ihre Arbeit vorstellen mussten. Die Woche davor war ehrlich gesagt ziemlich stressig, aber der Tag selbst, an dem sich alle Kurse auf einer Plaza in Villa Armonía präsentiert haben war echt schön.
Das waren jetzt nur ein paar kleine Ausschnitte meiner Arbeit, da echt ständing etwas anderes passiert. So habe ich zwar keinen regelmäßigen Arbeitsablauf, aber dafür wirds nie langweilig. Außerdem habe ich das Glück mit tollen Kollegen zusammenzuarbeiten, mit denen ich mich nicht nur sehr gut verstehe, sondern von denen ich auch ziemlich viel lernen kann. Und so verfliegt die Zeit wahnsinnig schnell